Komponist
«Nachtgesänge» für Mezzo-Sopran und Orchester (1999)
Ausschnitt aus dem CD-Booklet-Text von Thomas Meyer: Die Nachtgesänge Fabian Müllers hat David Zinman im Januar 2001 in der Tonhalle Zürich zusammen mit der Mezzosopranistin Malena Ernman uraufgeführt. Er regte den Komponisten dazu an, das Werk, das 1993 für Mezzosopran sowie Englischhorn, Horn, Harfe und Streichquartett entstand, zu orchestrieren. Der 1964 geborene Fabian Müller versteht sich eigentlich nicht als «typischer Liederkomponist». Texte spielen in seinem Oeuvre eine untergeordnete Rolle, und er strebt dementsprechend keine konzeptionell, literarisch oder politisch geprägte Musik an, sondern eine in sich geschlossene, «absolute Musik, Musik, die nichts Anderes sein will als Musik. Ich sehe in unserer Zeit vielmehr eine Herausforderung darin, unter Einbezug aller Errungenschaften der abendländischen Kunstmusik eine Musik zu schreiben, die keiner aussermusikalischen Inhalte bedarf, um vollständig zu sein oder um verstanden zu werden». Trotzdem schwingen auch bei ihm musikalische Saiten an, wenn er einen guten Text liest, insbesondere bei Hermann Hesse: «Vielleicht gerade deswegen, weil seine Gedichte an sich schon musikalische Gebilde sind und mir darum eine musikalische Umsetzung des wörtlichen Inhalts eigentlich gar nicht angemessen erscheint; vielleicht aber auch, weil Hesses Gedichte sehr von Stimmungen inspiriert sind und in hohem Mass Stimmungen hervorrufen können.» Diese Stimmungen - ein wesentlicher Inspirationsauslöser bei Müller - wollte er einfangen und mit seinen Nachtgesängen «Hesses Worten einen roten Teppich bereiten», - mit einer Musik, «die in enger Verbindung mit dem emotionalen Gehalt der Gedichte steht, ohne diese wörtlich auszudeuten». Gewiss komponiert auch er nicht völlig an solchen «Ausdeutungen» vorbei. Auffallend etwa ist die gezackt absteigende Geste auf «O taumelbunte Welt» oder die wenigen hohen Akzente auf «Glanz», «Licht» und «Tod» im zweiten Lied. Beim Wort «Draussen» im dritten scheint es, so als wolle die Stimme für einen Moment aus der dunklen Klanglichkeit ausbrechen. Viel wichtiger als solche Elemente, die nie aus dem Gesamtablauf herauskippen, ist jedoch jene weite Linie, die sich durch das Stück zieht, oft in der Vokalstimme, aber auch abwechselnd in verschiedenen Instrumenten. Sie verleiht dem Werk streckenweise seinen elegischen, ja melancholischen Tonfall. Diese Linie führt oft in tiefe Lagen. Umso vehementer ist der Aufbruch im vierten Gedicht. «Nur die ewige Mutter bleibt, von der wir kamen» ist der emotionale Höhepunkt des Werks. Etwas lehnt sich auf gegen die Vergänglichkeit und bleibt präsent, auch wenn die Musik danach scheinbar zum Anfang zurückkehrt. Nach einem letzten «Tiefpunkt» (auf die Worte «Durch der Erinnerung gedämpftes Land») nämlich steigt aus dieser Dämmerung die Stimme nochmals auf. Die Wendung hin zum Schluss mit einer absteigenden Linie in H-Dur erhält so etwas Versöhnliches.
Info
für Mezzo-Sopran und grosses Orchester nach Gedichten von Hermann Hesse ursprünglich für Kammermusikensemble komponiert, 1998/99 Umarbeitung für großes Orchester
Satzbezeichnungen
I. Nachtgang I
II. Bei Nacht
III. Einsamer Abend
IV. Vergänglichkeit
V. Nachtgang II
Besetzung
2 Flöten, 2 Oboen, 1 Englisch Horn, 2 Klarinetten in A, 2 Fagotte
4 Hörner in F, 2 Tenor-Posaunen, 1 Baß-Posaune
Pauken, Schlagzeug
Harfe
Violine 1, Violine 2, Viola, Violoncello, Kontrabass
Mezzo-Sopran
Aufführungsdauer
ca. 18 Minuten
Hörbeispiele
Noten
Leihmaterial
JEC EFM009-LM
Taschenpartitur
JEC EFM009-TP
22,- sFr / 14,- €
Klavierauszug
JEC EFM009
24.- sFr / 15.- €
Aufnahme
Malena Ernman, Mezzo-Sopran
Philharmonia Orchestra, London
David Zinman, Dirigent
col legno - WWE 1CD 20205 (P 2002)
Uraufführung
am 12. Januar 2001 mit dem Tonhalle Orchester Zürich unter der Leitung von David Zinman und mit Malena Ernman (Mezzo Sopran) im Grossen Saal der Tonhalle Zürich.
Konzerte
12. Januar 2001 - Tonhalle Zürich
UA
Malena Ernman, Mezzo-Sopran
David Zinman, Dirigent
Tonhalle Orchester Zürich